ZEIT VERBRECHEN: ein guter Podcast – das vorneweg. Oft mit spannenden Storys und gesellschaftlicher Relevanz. Ich höre jede Folge. Es ist aber gerade nicht Sabine Rückert, die für mich den Charme des Podcasts ausmacht, sondern vielmehr ihr Gegenpart Andreas Sentker und die Inhalte. Als ich das erste mal in ZEIT VERBRECHEN reingehört habe, musste ich nach wenigen Minuten pausieren. Die stellvertretende Chef-Redakteurin lässt ihr Gegenüber, ganz gleich ob Andreas Sentker oder Gäste, nur selten einen ganzen Satz aussprechen. Nachfragen scheinen weniger aus Interesse an der Meinung des Gegenüber gestellt, als aus der Positionierung eigener Thesen heraus. Den Drang sich in den Vordergrund zu stellen, sieht man auch, wenn man nur das Intro auf der Seite des Podcasts ansieht. Mehrere Zeilen zu Sabine Rückert, die sie in höchsten Tönen loben. Achja und dann steht da noch ein kurzer Zusatz: „Übrigens auch mit Andreas Sentker (keine Ahnung, ob Sie den kennen … )“.
Aber darum soll es nicht gehen. Wir schreiben Freitag Abend. Nach einer langen Woche mache ich mich auf den Heimweg. Naja, die Woche hatte fünf Tage wie jede andere auch, aber wir jammern ja gerne einmal. AirPods ins Ohr, ZEIT VERBRECHEN an. Es ist ein Gast im Podcast. Eine Kollegin aus der Redaktion anscheinend. Der Name ist mir entfallen, aber tut auch nichts zur Sache. Ich laufe und höre die ersten Minuten des Podcast. Zunächst die gewöhnliche Eigenwerbung und so weiter. Blendet man nach 10 Folgen dann irgendwann aus. In der Zeit wischt man noch fix durch ein paar Instagram Stories. Doch dann geht es los.
3 Minuten Hass sorgt bei mir für stundenlange Aggression
Ankündigung: Heute in der Folge 3 Minuten Hass geht es um zwei „Fälle“. Ohne spoilern zu wollen, aber das Wort Fall hat keiner davon verdient, denn es passiert in beiden Geschichten inhaltlich original NICHTS: eine Fahrt ohne Ticket und ein Beinahe-Verkehrs-Unfall. Schabernack. Natürlich, der feine und gebildetete Feuilletonist erkennt in den Charakteren die Abgründe der menschlichen Psyche. Ich hingegen habe genau diese Abgründe in den Podcastern gesehen. Mit welch roher Gewalt dort Menschen aufgrund ihrer Berufe und Geschichte in gesellschaftliche Klassen abgewertet wurden, erinnerte stark an das indische Kastensystem. Zwei Männer, die einst Handwerker waren, hätten sich unter anderen Umständen ja auch „auf leeren Bierkästen sitzend unterhalten“ können. Wow. Da waren anscheinend zu viele Weinflaschen im Spiel, nur um auch mit Vorurteilen und Klischees zurückzufeuern.
Nationale Freude hätte die Verbrechen verhindern können. WHAT?!
Das Ganze gipfelt dann auch in einem äußerst gewagten wie abstrusen Gedankenexperiment der Gastredakteurin (sorry, an dieser Stelle ist es mir sogar unangenehm, zu faul zu sein, den Namen zu googlen).
Wäre die Geschichte nämlich zum Sommermärchen 2014 passiert, wären die Männer wahrscheinlich so fröhlich und stolz auf Deutschland gewesen, dass sie diese Aggressionen niemals aufgebaut hätten. What the fuck? Waren die Geschichten so langweilig, dass es eine geistige Irrfahrt benötigt, um der Folge des Podcasts irgendetwas mitzugeben?
Eine bescheidene Bitte
Bitte vom hohen Ross absteigen, raus aus dem Über-Ich und wieder Geschichten erzählen, die spannend sind. Danke!
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